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MS Westfalen

Beitrag von LokalPlus

100 Tage vollelektrisch – das konnte die EMS Westfalen bisher einsparen

Europas größtes vollelektrisch betriebene Fahrgastschiff ist auf dem Biggesee unterwegs

Europas größtes vollelektrisch betriebene Fahrgastschiff ist auf dem Biggesee unterwegs

Sauber, leise, CO2-neutral: Die MS Westfalen ist seit Christi Himmelfahrt umweltfreundlich unterwegs. Gäste auf Europas größtem vollelektrisch betriebenen Fahrgastschiff genießen seither die Idylle am See ohne Dieselgeruch oder lautem Motorengeräusch. Der Start der neuen „Grünen Flotte Sauerland“ und ein großer Beitrag zu nachhaltigem Tourismus im Sauerland.

Nach dem erfolgreichen Start zum Saisonbeginn am Sorpesee ist die Lux-Werft und Schifffahrt GmbH aus Mondorf am Rhein nun stolz, mit der MS Westfalen das zweite von fünf Schiffen, die sie auf den Sauerländer Seen (neben dem Biggesee und Sorpesee noch der Möhnesee und der Hennesee) nun umweltfreundlich mit einem E-Antrieb in Betrieb hat. Bis Ende 2024 sollen alle Dieselmotoren ausgetauscht sein, so der Plan der Werft.

Ein ehrgeiziges Ziel in Zeiten von Lieferengpässen, gesteht Werft-Geschäftsführer Dr. Rainer Miebach, der schon bei dem Flaggschiff Westfalen gerne schneller gewesen wäre. Fehlende Teile verzögerten den Umbau um rund sechs Wochen. Dennoch ist der Schiffbauingenieur auf die Leistung seiner Biggesee-Crew stolz: „Das Team hat klasse Arbeit hingelegt.“

Und das unter erschwerten Bedingungen. Die MS Westfalen wurde im Wasser des Biggesees komplett umgebaut – ohne Werftbesuch. Über 300 Batterien mit insgesamt 2 Megawatt Kapazität wurden mit Muskelkraft durch enge Luken in den Schiffsrumpf getragen und alle Decks neu verkabelt. Biggesee-Betriebsleiterin Nicole Keseberg und Kapitän Bernd Stumpf leitete den Umbau vor Ort. Von Ruhe in der Winterpause keine Spur: „Wir sind wochenlang durch das ganze Schiff gekrabbelt“, beschreibt Bernd Stumpf die Arbeiten. Umso mehr freut es beide, dass das neue Fahrgefühl nicht nur den Kapitänen Spaß macht. „Die Resonanz der Fahrgäste war in der ersten Woche durchweg positiv“, so Nicole Keseberg.

Zum Schluss ging alles sehr schnell. In den letzten Tagen vor Christi Himmelfahrt hat das gesamte Team auf Hochtouren das Schiff fit gemacht: Grundreinigung, Aufrüstung, Bestücken der Gastronomie. „Vor zwei Wochen noch glich das hier einer staubigen Großbaustelle. Das war viel Arbeit. Super Job von allen“, bedankt sich auch das Seniorchef-Ehepaar Gisela und Wolfgang Keseberg bei ihrem Team. Nur eine Kleinigkeit ist untergegangen: „Wir haben vergessen, die Reise-Erklärung zu ändern. Noch heißt es darin, dass wir mit zwei Diesel-Motoren fahren“, gesteht Tochter Nicole Keseberg. Ein Sprecher sei bereits beauftragt, dies richtigzustellen und eine neue Bandansage zu liefern.

Neu im Hafen ist auch die Trafostation, die die Leistung hat, das Schiff über Nacht wieder vollständig aufladen zu können. Ein unterarmdickes Kabel versorgt die MS Westfalen mit der nötigen Energie. Die Landstromanlage wurde vom Land NRW mit 80 Prozent gefördert, dafür darf allerdings nur Ökostrom genutzt werden. In den ersten Tagen hat sich gezeigt, dass rund 65 Prozent der Batteriekapazität für den Tagesbetrieb ausreichen.

Für den Umbau des Antriebes gab es ebenfalls 80 Prozent Fördermittel vom Bund. „Dennoch haben wir hier am Biggesee einen Eigenanteil in sechsstelliger Höhe“, erklärt Dr. Rainer Miebach. Aufgrund der angespannten Lage auf dem Strommarkt werden auch die Betriebskosten steigen. „Wir gehen im Vergleich zum sinkenden Dieselpreis beim Einsatz von Öko-Strom von deutlich höheren Kosten aus“, schätzt der Geschäftsführer ein. Er will es nicht direkt an den Kunden weiterreichen, sondern verhandele gerade mit Lieferanten. Alternativ kann er sich auch eine Investition in eine PV-Anlage am See vorstellen, um für einen geschlossenen Kreislauf aus Stromproduktion und -verbrauch dank Sonnenergie zu sorgen. „Aber das ist Zukunft und dazu müssen zunächst viele Gespräche geführt werden“, so Miebach.

In erster Linie will die Lux-Werft mit der Zeit gehen und an ihren Sauerländer Standorten ein Vorreiter für gelebte Nachhaltigkeit im Tourismus sein. Das mittelständische Familienunternehmen, das am Hauptstandort – der Werft am Rhein – auf den Bau von Fahrgastschiffen und Fähren spezialisiert ist, sieht sich in der Branche auch als Innovationstreiber. Mit der MS Westfalen, Baujahr 1978, wird nun eindrucksvoll bewiesen, dass für einen umweltfreundlichen Umstieg kein Neubau erforderlich ist. Mit 55 Metern Länge und 11 Metern Breite ist das Drei-Decks-Schiff vom Biggesee derzeit Europas größtes Fahrgastschiff mit reinem E-Antrieb. Durch die Umrüstung werden allein bei der MS Westfalen 165 Tonnen CO2 jährlich eingespart. „Das ist ein Durchschnittswert auf zehn Jahre gerechnet. Dabei haben wir die CO2-Bilanz für die Herstellung der Batterien und die Umrüstung bereits beachtet“, erklärt der Schiffbauingenieur.

„Die Fahrpreise sind diese Saison leicht gestiegen, bei der 90-minütigen Biggesee-Fahrt von
14 auf 15 Euro für Erwachsene“, sagt Betriebsleiterin Nicole Keseberg und fügt direkt hinzu:
„Die Erhöhung war unabhängig von dem Umbau, da ja im vergangenen Jahr auch der Diesel und viele andere Kosten deutlich teurer wurden.“

Die Umbauphase wurde zudem für eine optische Auffrischung genutzt: Neu entstanden ist das Rooftop-Deck hinter der „Kapitänsbrücke“. Bodentiefe Fenster, lockere Lounge-Bestuhlung und stilvolle Deko gepaart mit dem Elektroantrieb machen aus einem Ausflugsdampfer ein Erlebnisschiff. „Auch hier müssen wir mit der Zeit gehen und für alle Zielgruppen modern sein“, erklärt Nicole Keseberg. Im vergangenen Jahr wurde bereits das zweite Schiff, die MS Bigge, zu einem modernen Eventschiff, u.a. mit Sand- und Strandbar neu konzipiert. „Das kam super an und war besonders attraktiv für Vercharterungen“, berichtet die Betriebsleiterin. Die MS Bigge soll dann direkt nach Saisonende im Oktober ebenfalls auf vollelektrischen Betrieb umgerüstet werden.

Das Elektro-Schiff Westfalen ist nun täglich bis zum 15. Oktober im Linienverkehr auf dem Biggesee. Weitere Events wie Dinner-Fahrten sind bereits terminiert. Das Schiff kann auch für Betriebsfeste, private Feiern oder Tagungen angemietet werden. Regelmäßig ist es auch als Trauzimmer für standesamtliche Hochzeiten der Stadt Olpe im Einsatz. In der Woche wird das Schiff auch als Co-Working Space angeboten, das kreatives Arbeiten an einem idyllischen Ort ermöglicht.